Mit dem 3. Platz verabschiedet
Spielbericht zur AFBL-Begegnung VfL Wolfsburg gegen 1.FFC Turbine Potsdam am 12. Mai 2019
Zum letzten Mal in dieser Saison 2018/19 waren die Turbinefans unterwegs mit Feli Rauch (wie Qualm), Svenja Huth, Lisa Schmitz, Amanda Illestedt, Melissa Kössler (Inga Schuldt und Wibke Meister). Die Strecke zum Spielort lag diesmal im Nahdistanzbereich: Lächerliche 2,5 Stunden Fanbusfahrt bis zur „Dieselstadt“ standen an. Wolfsburg ist berühmt für seine künstlichen Gewässer, Glasfassaden und Betonbauten und die menschliche Leere am Abend. Eine Pendlerstadt, in die man durchaus mal pendeln kann, wenn es sich lohnt. Und es lohnt sich tatsächlich dann, wenn die Torbienen dort frei aufspielen.
Aufgrund dieser Nahdistanz wollten diesmal mehr Fans als sonst per Bus anreisen, sodass eine XXL-Version dieses Gefährtes von unseren netten Fanbusfahrern Peter und Detlef gelenkt werden musste. Diesmal ohne Kaffee- und WC-Luxus an Bord, dafür mit selbstgemachter Waldmeisterbowle, gebraut von unserem Star-Torwart der blauen Fanmannschaft des vergangenen Wochenendes. Nach der Ankunft in der Stadt der vier gemauerten Schornsteine nahmen im Bus noch zwei Bierkästen Platz, gesponsert vom Fallrückzieher-Profi Ingo, ein Turbinefan, der ganz nah bei Wolfsburg wohnt und trotzdem nur ganz selten dorthin fährt. Sein Herz schlägt blau, und zwar ganz lebendig und beim Anblick von Schmidti manchmal rasend.
Unterwegs hielt der Bus einmal an einer Raststätte an, weil „der ganze Bus Pipi musste“ (Zitat aus einem bekannten Songtext des Fanbus-Repertoires). Danach rollte sofort der Ball über den Asphalt – und zwar immer wieder ganz galant an der Hinterlassenschaft einer Dogge vorbei. Die Turbinefans mussten unbedingt im Leistungstraining bleiben, denn nach dem Spiel ist vor dem Spiel…!
Das grüne Fanfest
Angekommen im nicht sehenswerten Wolfsburg nahm die Busmannschaft für ein Foto Aufstellung, um sich dann im grünen Fanfest zu tummeln. Ein Mitglied der erfolglosen VfL-Männermannschaft hatte sich extra fünf Minuten nach dem Training Zeit genommen, um für ein Interview auf der Fanfestbühne bereit zu stehen. Für das sich anschließende Spiel nebst Meisterschaftsfeier reichte seine Zeit jedoch nicht.
Dafür stolperte man alle 10 Meter über Werbeaufsteller, die auf eine Sonderausstellung über die VfL-Männer hinwies, die vor 10 Jahren mal Meister geworden waren. Dass die Frauen heute live und in Farbe ihre Meisterschaftsehrung erhalten würden, versiegte unglücklich im Hintergrund. Der Fanshop der Männerabteilung präsentierte übrigens ein unerwartet überschaubares Angebot an Fanartikeln. Aber die Trikots mit den männlichen Spielernamen reichten aus, um das AOK-Stadion grün zu färben.
Beim Fanfest gab es übrigens nur eine Hüpfburg (und nicht protzige drei), keine Autogrammstunden mit den Spielerinnen und schon gar kein Fußballspiel der Fanmannschaften, die erst recht nicht von den Wölfinnen persönlich angefeuert oder gecoacht wurden. Es gab auch keine auf dem Rasen überreichten Fangeschenke und keine grüngefärbten Rosen. Aber es war laut. Also VOR dem Stadion, aufgrund der Musikbeschallung.
Verabschiedungen gemäß Protokoll
Drinnen wohnten dem letzten Heimspiel immerhin 3.400 Zuschauer_innen bei. Aber die hörte man kaum. Keine euphorischen Meisterschaftsgesänge der Fans vor dem Anpfiff, dafür eine immer wieder in die Kopfstimme kippende Ansage des Stadionsprechers.
Nach der offiziellen Verabschiedung von sechs Spielerinnen, u.a. Nilla Fischer, die auch euphorischen Applaus von den Turbinefans erhielt, und nach dem Geburtstagsständchen für Babett Peter, das die Turbinefans anstimmten und mit dem Winken von Babett gewürdigt wurde, sollte der Ball rollen.
Die Wölfinnen mussten nichts mehr leisten, die Meisterschaft war bereits vor dem Spiel errungen. Deshalb blieb der Stürmerstar Ewa Pajor mit der Nr.17 auch erstmal auf der Bank.
Die erste Halbzeit
Das „Sie-werden-platziert-Management“ von Wolfsburg hatte sich für Lisa Schmitz‘ Abschiedsvorstellung etwas ganz Besonderes überlegt. Herrschte in den meisten Auswärtsstadien für die Gäste-Fans freie Platzwahl, so wurden die über 100 Turbinefans diesmal im Stehplatzbereich hinter dem Tor (de)platziert. Aber diese „Abseits-Stellung“ eröffnete völlig neue Perspektiven und Möglichkeiten! 45 Minuten Ehre für Lisa Schmitz und eine starke Unterstützung für die Potsdamer Abwehr. Mit Erfolg! Denn mit einem 0:0 ging es in einer ausgeglichenen Partie in die Halbzeitpause, nachdem die Torbienen eine wirklich gute, kämpferische Leistung gezeigt hatten. Es gab Torchancen für Potsdam, mit Selbstbewusstsein wurden Zweikämpfe angenommen und die Turbinefans konnten bei dem einen oder anderen gescheiterten Torschussversuch der zahnlosen Wölfinnen ihr „1-2-3 – und wieder mal vorbei“ anstimmen. Eine unterhaltsame erste Halbzeit, die einfach nur Spaß machte.
In der Halbzeitpause wurde diesmal nicht mit Fanartikel-Kanonen auf die Fans geschossen, der „#Vielfalt-Pazifismus“ hat in Wolfsburg erfreulicherweise Einzug gehalten.
Die zweite Halbzeit
Die zweite Halbzeit begann, wie die erste geendet hatte. Ausgeglichen, spannend, sehenswert. Doch dann wurde nach 10 Minuten Ewa Pajor eingewechselt, deren Spielweise man nur mit herunterhängender Kiefernlade verfolgen konnte, so verblüfft war man von deren Schnelligkeit, Zackigkeit, Courage und Abgebrühtsein. Die mischte ihre Truppe auf, heizte sie an und brachte die Wölfinnen zum Aufjaulen. Jetzt war Stimmung in der grünen Bude (jeweils auf dem Rasen…) und Penille Harder nutzte einen Abstauber zum 1:0. Nun hatten die Wolfsburger Fans endlich einen Anlass, ihre Hände zusammenzuführen, um damit ein hörbares Geräusch zu erzeugen.
Als Reaktion versuchte sich Sarah Zadrazil an einem Ausgleichstreffer, aber da Almuth diesmal nicht das Tor hütete, war sie auch nicht schuld. Es blieb aber nicht lange beim 1:0, denn Ewa Pajor musste, wollte, konnte – einen Nachschuss zum 2:0 verwandeln, nachdem Lisa Schmitz den ersten Torschuss noch gut pariert hatte. Dieser Doppelschlag der Wölfinnen binnen von vier Minuten zerknickte den Stachel der Torbienen, doch die Turbinefans selbst hatten weiterhin ihren Spaß: „Ohne Potsdam wär‘ hier gar nichts los“ skandierten sie.
Die Potsdamerinnen zeigten bei ihrem letzten Spiel der Saison ihr Gesicht und deshalb konnte man sich als eingefleischter Live-Fan diese Niederlage mit Genuss ansehen und mit Stolz annehmen. Luca Graf wird zukünftig vor wichtigen Spielen in einer Fantalk-Runde „geimpft“, denn dann zeigt sie eine selbstbewusste und kämpferische Spielweise. Mindestens zwei Turbinefans waren der Meinung, dass aus ihr eine zweite Tabbi werden könne.
Als zwei weitere Auswechslungen bei den Wolfsburgerinnen erfolgten, um den Starspielerinnen Nilla Fischer und Caroline Hansen einen ehrwürdigen Abgang zu verschaffen, erwachten die Wolfsburger Fans und begleiteten die langanhaltenden Umarmungsszenen mit kräftigem Applaus. Die Uhrzeiger tickten trotzdem weiter – und ohne Nachspielzeit wurde das Spiel pünktlich abgepfiffen.
Während die Vorbereitungen für die Meisterschaftszelebrierung liefen, feierten die Turbinefans das glückliche Saisonende: Hatte doch die SGS Essen überraschend gegen den vermeintlichen Absteiger Leverkusen verloren! Also am Ende Platz 3 für Turbine Potsdam – als reiner Frauenfußballverein eine akzeptable Leistung. Alle Meckerer sollten an dieser Stelle mal schweigen.
Der schale Beigeschmack der Schale
Ein paar abschließende Worte zur beobachteten Meisterschaftsfeier: Wenn der Erfolg zur Gewohnheit wird, dämmt das den emotionalen Schwall. Vor laufender Kamera strahlten die Spielerinnen und hüpften auf und nieder, als sie dann aber zur Stadion-Ehrenrunde aufbrachen, wirkte die Euphorie fast wie weggeblasen. Schleppender Schritt, Einzelaktionen, keine Rudelbildung. Aber die grünen Fans auf der Gegengerade freute es trotzdem – und sie wurden auch von den Spielerinnen Danksagungen bedacht. Auch eine Fan-Choreo gab es vor Spielbeginn kurz zu sehen. Irgendwas mit „Herz“ stand da drauf. Und hohe Frauenstimmen zu hören…
Das war’s für diese Saison, nun kehrt Fußballruhe in der Liga ein. Entzugserscheinungen kann man mit der WM in Frankreich therapieren.
Wünsche und Termine
Wir wünschen all unseren Torbienen und Ex-Torbienen eine gute Zeit und einen schönen Sommer. Natürlich auch den zehntausend Turbinefans und unserem Busfahrerpärchen Peter und Detlef sowie unserem Fanfahrten-Manager Hartmut.
Am 24. Mai findet die Mitgliederversammlung des 1.FFC Turbine Potsdam statt.
Am 6. Juli steigt unser Fanclub-Sommerfest auf der Kegelbahn in Michendorf.
Wir sehen uns energiegeladen, hoffnungsfroh und gesund zur Saisonvorbereitung der Flyeralarm-Liga wieder.
Text: Susanne Lepke
Fotos: Saskia Nafe (sas), Susanne Lepke (sus), Gunther Schmidt (urmel), eine freundliche Wolfsburger Fanfrau