Drei Tore – drei Punkte – drei-und-drei-ßig Fans
Lesedauer 4 MinutenSpielbericht zum Auftakt-BL-Spiel 1899 Hoffenheim gegen Turbine Potsdam am 05.09.2016
4.30 Uhr Abfahrt ab Berlin, 5.15 Uhr ab Potsdam – Rückkehr gegen Mitternacht – ca. 16 Stunden Busfahrt für 90 brillante Hoffenheimer Minuten. Ein Sonntagsausflug, der sich absolut lohnte!
Eine Fanbusfahrt an sich ist immer schon ein Erlebnis wert, da es an Bord stets viel zu lachen, zu tanzen und zu witzeln gibt. Zum Beispiel, als auf der Hinfahrt ein Schweinetransport, also sogenannte „Steckdosentiere“, überholt wurde oder als das Kennzeichen des Fanbusses „PM – PT…“ nach einer „Sanifair“-Raststättenpause in Bus für „pullernde Mütter und pullernde Töchter“ gedeutet wurde. An dieser Raststätte wurden auch die letzten blau-weißen Blumenketten zum Schnäppchenpreis von 30 Cent (schon wieder eine Zahl mit der Drei) leergekauft.
Noch mehr Stimmung kam natürlich auf, als das Endergebnis der Partie von Sand gegen Wolfsburg feststand, nachdem man schon das unentschiedene Ergebnis der Begegnung: Bayern gegen Freiburg nicht recht glauben wollte.
Also beste Voraussetzungen, im beschaulichen Hoffenheim auszusteigen und sich von der wiederholt herzlichen Atmosphäre des Stadions bannen zu lassen. Faszinierend ist jedes Mal das XXL-Fahnengeschwenke zur Kraichgauer Hymne, faszinierend auch das freundliche Miteinander vor Ort. Kein böses Wort, kein Ausbremsen, wenn es um das Anbringen von Bannern und Fahnen geht. Menschen, die von sich aus das Gespräch mit den Potsdamer Fans suchen und am Ende respektvoll zum Sieg gratulieren. Auch ein kurzer Kontakt zu dem Hoffenheimer Fanclub „Blue Angels“ kam zustande, als dieser emsig nach freiverkäuflichen Fanschals für die Potsdamer suchte und fand.
Auch der Stadionsprecher inspirierte, der eine angenehme Moderation ausübte und die ca. 900 Hoffenheimer Fans mehrfach zum Anfeuern aufforderte. Der „Knabenchor“ aus Rettigheim und aus diversen anderen -heimen gab tatsächlich sein Bestes, um gegen die lautstarken Rasseln, Trommeln und Fangesänge des überschaubaren Potsdamer Fangrüppchens anzukommen. Ein Versuch, der (natürlich) misslang:-)
Der Hoffenheimer Trainer Ehrmann hatte im Vorfeld einen „heißen Tanz“ angekündigt und sollte Recht behalten, denn die Torbienen schwoften über das grüne Fußballparkett wie lange nicht mehr. Sie zeigten sich das gesamte Spiel überlegen, engagiert und mannschaftlich geschlossen, sodass das Fanherz mehr als beglückt in doppelter Frequenz zu schlagen begann. Es gab tatsächlich richtigen Fußball zu gucken, mit einem ideenreichen Kurzpassspiel bis in den Strafraum hinein, auch wenn das letzte kleine Pässchen vor das gegnerische Tor in der 1. Halbzeit noch nicht so recht gelang. Mit einem gefühlten 2:0 ging es in die Halbzeitpause, also ein reales 0:0, dass regelrecht nach einem Führungstor schrie.
Dieser innere Schrei wurde erhört, denn in der 2.Halbzeit fand das Runde dreimal das Eckige. Tatsächlich dreimal konnte der „Spielspand“ aus der Fankehle gebrüllt und bejubelt werden. Dabei zeigte sich der Unruhegeist Tabbi Kemme als doppelt erfolgreiche Stürmerin, der Goldstaub scheint nicht zu verfliegen.
Hierbei gilt es zu erwähnen, dass Potsdam nun auch wieder Eckbälle zu Toren verwandeln kann. Die Zeit, in der die Fans verstohlen die Anzahl der ca. 30 ineffektiven Eckbälle mitzählten, bis mal einer passte, scheint erstmal vorüber zu sein.
Feli Rauch traf ebenfalls in der 2. Halbzeit, nachdem ihr bei einem Versuch zuvor noch die Latte in die Quere gekommen war. Da die Torbienen zu oft über rechts spielten, wurde Feli Rauch zu selten angespielt. Schade war auch, dass Svenja Huths Kopfball-Hechtsprung in Richtung Tor nicht mit Erfolg belohnt wurde. Die B-Note war auf jeden Fall 6,0.
Insgesamt ein brillantes, erfrischendes und sehenswertes Spiel, das man als Fan völlig angstfrei verfolgen konnte! Selbst ein superkritischer und sekündlich lautstarker kommentierender Fan ließ sich am Ende zu einem „Ganz stark!“ hinreißen.
Es war wirklich begeisternd anzuschauen, wie die Rädchen des Turbinegetriebes ineinandergriffen. Jojo Elsig zeigte sich in der Abwehr als eine absolut sichere Bank, ihre ruhige Körpersprache und Sicherheit in den Kopfballduellen sowie Übersicht im Spielaufbau überzeugten. Bianca Schmidt zeigte sich in einer Situation als wahre Retterin, als sie einen hundertprozentigen Torschuss der Gegnerinnen im letzten Augenblick abwehrte und in den letzten Spielminuten deutlich nach vorn drängte. Auch Wibke Meister kämpfte, rannte, brillierte – und lädierte sich am Schienbein. Eseosa Aigbogun rannte in dem einen oder anderen Solo über das Spielfeld, Sarah Zadrazil und Elise Kellond-Knight arbeiteten intensiv und begeisterten mit ihrem spielerischen Einsatz, auf Inka Wesely war eh Verlass und Ulla Draws pustete nach ihrer Einwechslung nochmal frischen Wind in die feuchtwarme Hoffenheimer Luft.
Aber auch die gegnerische Torwartfrau hat an dieser Stelle ein Lob verdient, denn diese konnte die Bälle verdammt gut lesen und spielte wunderbar mit, sodass sie ein 0:7 verhindern konnte.
Es war wie in alten Zeiten. Auch das „Attacke“-Gebrülle und der „Turbine? – Potsdam!“ – Wechselschrei eines treuen Potsdamer Fans, der aus gesundheitlichen Gründen lange den Auswärtsfahrten fernbleiben musste, erinnerte an glorreiche Zeiten. Lange hatten die Turbinefans während und nach dem Spiel nicht mehr so abgefeiert wie hier in Hoffenheim.
Und wie in neuen Zeiten war die beobachtete Tatsache, dass die Co-Trainerin Jenny Zietz alle Spielerinnen, die nicht zum Einsatz gekommen waren, nach dem Schlusspfiff zu Tempoläufen auf dem Spielfeld einlud, während sich die rotgerannten Gesichter zum ausgiebigen Stretching auf dem Rasen niederließen.
Wünschenswert wäre es, wenn nach dem Spielende nicht nur einzelne, sondern alle Spielerinnen zum Abklatschen mit den Fans kommen würden, denn gerade nach solch aufopferungsvollen Fahrten wie eine 16-stündige Busfahrt haben sie diese Geste verdient.
Die Gratulation zum Traumstart geht an die Mannschaft und das neugeborene Trainerteam.
Nun entpuppt sich das nächste BL-Spiel am 10.September gegen Frankfurt im „Karli“ als wahres Spitzenspiel des Tabellenersten gegen den Tabellenzweiten. Na, dann mal „ran da“!
Text und Fotos: Susanne Lepke