Abseitsfieber
Spielbericht zur Begegnung: Turbine Potsdam gegen Bayer Leverkusen am 25.10.2019
Flutlicht an – Fahne hoch!
Dank der Eurosport-Live-Übertragung stand für Turbine Potsdam das erste Flutlichtspiel in dieser Saison an einem Freitagabend an. Wunderbar für die Fans, mal die umgekehrte Version zu erleben: ein freies Wochenende – und keine Rückkehr des Fanbusses am nächsten Morgen gegen 5.00 Uhr. Denn letzteres hatten die reisewütigen Fans in dieser Saison bereits schon zweimal (Frankfurt, Köln) erlebt. Von Leverkusen hatte sich vermutlich kein Fan auf den weiten Weg gemacht.
Fahne hoch? Oh ja, egal, ob ein Tor fiel oder eine der beiden Mannschaften gerade in Richtung Tor stürmte – die Abseitsfahne flatterte unentwegt im „Karli-Wind“. Ja, und wann sieht man (und frau) schon mal ein Spiel, indem es drei(!) Abseitstore gibt: zwei für Leverkusen, eines für Potsdam. Entweder bedeutet das perfektionistisches Knowhow oder Ahnungslosigkeit. Wahrscheinlicher ist wohl letzteres… und typisch für die Frauenfußball-Landschaft. Leider.
Vor dem Anpfiff lag (neben dem Ball) der gnadenlose Fakt auf dem Rasen, dass die Torbienen vier Niederlagen in Folge eingefahren hatten. Trotz der gezeigten Kampfmoral, gravierende Rückstände wieder aufholen zu wollen, gab es keine Früchte zu ernten. Nun galt es, für den inneren Seelenfrieden und gestärktes Selbstvertrauen zu sorgen, denn ein Sieg gegen den Tabellennachbarn Leverkusen (Platz 9) musste an diesem Abend unbedingt her. Imagepflege war angesagt, denn die Torbienen spielen doch nicht zu desolat, wie ihr derzeitiger Tabellenplatz Nr.8 das besagt.
Knapp 1.100 Zuschauer_innen wohnten der Partie bei und sahen ein kämpferischen, abwechslungsreiches und am Ende sehr spannendes Spiel, das mit einem 1:0-Zittersieg endete.
Auf geht’s, Mädels!
Souverän begannen die blutjungen Potsdamerinnen mit einem galanten Abseitstor in der 3. Minute. Anna Gasper war die erste an diesem Abend, die sich zu früh freute.
Es häuften sich Eckbälle und Freistöße auf beiden Seiten und die „Litschies“ (Synonym für Rudelic und Nikolic von Bayer Leverkusen) begeisterten das heimische Publikum. Diese beiden Spielerinnen musste das Potsdamer Team unbedingt in den Griff bekommen. Das tat es auch, denn es war zu spüren, dass die Torbienen einen Heimsieg einfahren wollten.
Dann verwandelte sich das Spielgeschehen zum „Maskenball“. Die von Spiel zu Spiel immer souveräner agierende Verteidigerin Sara Agrež, die wiederholt mit einer Gesichtsmaske auflief, stand nach einem Eckball von Ehegötz in der 25. Minute goldrichtig und erzielte das befreiende 1:0! Der Rasen war urplötzlich von Steinen übersät, die von den Herzen aller Potsdam-Fiebrigen gepurzelt waren. Auch Sara befreite sich – von ihrer Maske, die dann kurze Zeit unbeachtet in der Steinwüste lag.
Und es gab ausreichend Zeit für Torgesänge und Abgeklatsche, bis das Herz in der 44. Minute stockte. Nach einem knallharten Torschuss durch Rudelic lenkte Fischi den Ball mit Fingerspitzengefühl und einer saustarken Parade gerade noch so über die Latte. Jedoch fiel sie dabei so unsanft zu Boden, dass sich die Ersatztorhüterin Zala in die Warmup-Spur begab. Der Erfolg der Behandlungspause kurz vor der Halbzeitpause überraschte jedoch, denn Fischi erhob sich wankend wie nach einem vermeintlichen K.O.-Schlag in der 12. Boxrunde und schaffte unmittelbar danach Unglaubliches: Sie fing nach einem Eckball von Rudelic den nachfolgenden Schuss aus der Nahdistanz! Kollektives Aufatmen!
Und weil dieser „Herzkasper“ für den Frauenfußball noch keine Werbung ist, legte die Schiri eine Karte obendrauf: Gelb-Rot für Ann-Kathrin Vinken! Leverkusen schritt in Unterzahl in die Kabine!
Kampf der Giganten
In der Halbzeitpause folgte das mittlerweile traditionelle Unterhaltungs-Ritual für die Fans: Wer schaffte es, den Ball möglichst weit an den Mittelpunkt… äh … an den Rasenroboter zu schießen? Neu war nämlich, dass es nun bei diesem Fanspiel einen hochgradigen Preis zu gewinnen gibt. Also, was dieser 40.000€ teure Audi im Bayern-Campus ist, stellt für Turbine ein Rasenroboter dar. Wem es gelingt, diesen zu treffen, kann ab sofort beim Rasenstutzen genüsslich zuschauen.
Die beiden Edelfans Pepe und Ingo hatten diesmal beschlossen, in die Kampfarena abzusteigen. Nachdem die Fußballschuhe gegenseitig geputzt und abgeleckt worden waren, schritten sie siegesgewiss zum Anstoß. Unterhaltsam war die Show – und fast erfolgreich deren Ende. Beide erhielten einen Preis – und beide werden weiterhin ihren knatternden Rasenmäher selbst durch den Garten schieben.
Eine begeisternde Pausen-Einlage war auch, dass Tabea Kemme kurz das Bad in der Fan-Menge suchte.
Wo bleibt denn das 2:0?
Anpfiff zur zweiten Halbzeit. Die flugs genesene Fischi kehrte in ihr Torgehäuse zurück, die Physios scheinen Zauberhände zu haben.
Leverkusen präsentierte sich als „gefühlte Elf“ und kämpfte unverhohlen weiter. Und je weiter der Minutenzeiger tickte, agierten die Potsdamerinnen immer nervöser. In den vergangenen Spielen hatten die blutjungen Torbienen gelernt, wie man souverän mit fetten Rückständen umgeht. Aber wie man ebenso cool eine 1:0-Führung nach Hause holt, das schien ihnen fern.
Somit stieg die Spannung und die Nervosität. Und hätte die Linienrichterin ihr Abseitsfähnchen vergessen, wäre die Partie vermutlich mit einer fünften Niederlage zu Ende gegangen. Aber auf die Schiris war Verlass… Eifrig fuchtelte sie mit diesem gelben Fähnchen, sobald Leverkusen ein Tor schoss. Ein doppeltes Leid ereilte die unermüdlich kämpfenden Leverkusenerinnen und deren (Potsdam bekannter) Trainer Feifel, als zwei Abseitstore für die Gastmannschaft angezeigt wurden. Des einen Leid ist des anderen Freud…
Aber richtig hinschauen konnte man als Fan in den letzten zehn Minuten nicht mehr. Obwohl die verlässliche Säule Jojo Elsig nach verletzungsbedingter Spielpause eingewechselt wurde, entwickelte sich das Potsdamer Spiel zu einer einzigen chaotischen Reaktion. Da war er wieder, der „Hühnerhaufen“… Aber das Glück sollte bei den Potsdamerinnen wohnen bleiben – der Zittersieg wurde am Ende Realität und die Freude darüber war natürlich riesengroß.
Der Sportbuzzer verkündete Stunden später euphorisch, dass Turbine Potsdam nun auf den 8. Platz gesprungen sei. Aber da verweilten das Team bereits vor dem Spiel. Somit wäre es korrekter zu verkünden, dass Turbine derweil auf dem 8.Platz herumspringe.
Das nur am Rande sprachlicher Nuancen.
Die Torhüterin Vanessa Fischer wurde hochverdient als „Player oft the match“ geehrt. Und Bernd Schröder suchte das Gespräch mit Leverkusens brillant aufspielenden Kapitänin Merle Barth.
Spiel aus – Flutlicht aus. Mit der Zuversicht, dass am kommenden Wochenende kein Sandsturm aufkommt, werden sich Mannschaft und einige Fans auf den weiten Weg zum SC Sand machen. Schauen wir mal!
Text: Susanne Lepke
Fotos: Saskia Nafe (sas), Larissa Jarmer (laja)