Heimpokal geschnappt
Bericht zum 5. Internationalen Turbine-Hallencup 2017 am 28./29. Januar 2017 in der MBS-Arena Potsdam
Ein Stimmungsrausch fegte am letzten Januarwochenende durch die Potsdamer MBS-Arena, eine wahre Lawine der Frauenfußballbegeisterung durchrollte die Halle. Der 1. FFC Turbine Potsdam hatte zum 5. Mal zum Internationalen Turbine- Hallencup nach Potsdam eingeladen. Sieben internationale Mannschaften und ca. 1.500 Fans folgten der Einladung. Ein fast ausverkauftes Haus – und ein einmaliges Hallenturnier in der Frauenfußballwelt, das absolut erlebenswert für Aug und Ohr war.
Hier geht es nicht nur um sportliches Ehrgeiz und Siegesgedanken, hier spielt die Herzensfreude und das europäische Miteinander eine tragende Rolle. Potsdam ist Europa – der Frauenfußball aus Potsdam ein gelungenes Beispiel für eine echt gelebte Völkerverständigung.
Das Teilnehmerfeld
Geboren aus dem ursprünglichen Gedanken, Freundschaften zu anderen europäischen Vereinen zu pflegen, denen man in der Championsleague begegnet ist oder aus denen ausländische Turbine-Spielerinnen stammen. Zu den uralten Freundinnen zählen hier MTK Hungária und Sparta Prag. Insbesondere die Vorfreude von MTK Hungária konnten internetversierte Fans detailliert während des Hinfluges der Spielerinnen oder beim Hotelfrühstück beobachten. Unmengen an Fotos und Videos stellte der ungarische Verein ins Internet ein.
Und Sparta Prag gehört ebenso zu den Stammteilnehmern des Turbine-Hallencups. Das sportliche Duell hatte man bereits zwei Wochen zu vor beim „Weltklasse-Hallenturnier“ in Jöllenbeck praktiziert, als Sparta Prag unglücklich im Neunmeterschießen um Platz 3 verlor.
Des Weiteren wurden auch die Freundschaften zu Stabaek IF (Norwegen), Glasgow City (Schottland) und SKN St. Pölten (Österreich) gepflegt, die nun zum wiederholten Male nach Potsdam gekommen waren. Der österreichische Verein trat als Pokalverteidiger an.
Und dann gab es noch zwei Neulinge beim 5. Turbine-Hallencup: Fortuna Hjørring (Dänemark) und Sporting Lissabon (Portugal).
Fortuna Hjørring, der als letzter Verein das Turnier komplett gemacht hatte, stellte unter den Jöllenbeck-Beobachtern einen Geheimtipp dar. Begeisternd und souverän hatte dieser Verein zwei Wochen zuvor beim „Weltklasse-Frauenturnier“ nahe Bielefeld aufgespielt und die „Torschützenkönigin“ Camilla Kur sowie die „Beste Torwartfrau“ des Turniers Trine Jensen gestellt.
Erstmalig zu Gast war der Verein Sporting Lissabon aus Portugal, der gerade mal seit gut einem Jahr existiert. Und was diese „Frischgeborenen“ auf den Potsdamer Kunstrasen zelebrieren würden, sollte eine Augenweide werden und wahre Emotionen auslösen. Doch dazu später.
Das Rahmenprogramm
Zuerst sollen die Schilderungen rund um das Turnier erfolgen, denn das Rahmenprogramm und die Beobachtungen abseits des Spielfeldes sind ein maßgeblicher Teil des Turnier-Rezeptes, das den Turbine-Hallencup zu einem unvergesslichen Sporterlebnis werden lässt.
Ein Fokus lag auf dem Turbine-Nachwuchs. Neben dem Turbinchen-Maskottchen, das sich im wahrsten Sinne des Wortes einen „Wander-Pokal“ verdient hätte, weil es unermüdlich die Fan- und Spielerränge hoch- und runterlief und mit seinem Patschehändchen abklatschte, was abgeklatscht werden wollte, wurde den anderen „Turbinchen“, also dem einheimischen Nachwuchs, ein großes Augenmerk geschenkt. Hier wurde feierlich eine 1000€-Spende seitens des „Heim Deko“- Sponsors übergeben. Die Mädchen sorgten für eine Pauseneinlage, und der U15-Nachwuchs durfte vor dem Finalspiel gegen die U15 vom 1. FC Union Berlin antreten – und gekonnt 3:0 gewinnen.
Der Hauptsponsor AOK Nordost präsentierte sich engagiert und ermöglichte unzählige Autogrammstunden mit Spielerinnen verschiedener Vereine und verloste ein Nationaltrikot von Tabea Kemme, die übrigens während des Turniers grippig das Bett hütete. Der glückliche Gewinner war Marco Junghanns, ein treuer und engagierter Fan. Glückwunsch!
Auch andere Sponsoren sorgten für Unterhaltung abseits des Spielgeschehens. Die Confiserie Reichert aus Berlin präsentierte verschiedene Leckerlis, u.a. eine Foto-Torte, und beteiligte sich in unübersehbaren süßem Maße an der Siegerehrung. Bei der Allianz konnte man Kicker spielen und der Fanshop war mit dem gesamten Fanartikel-Angebot am Start. Am Abend des 1. Spieltages gab es wieder die ultimative Lasershow seitens des Filmparks Babelsberg und für die musikalische Pausenunterhaltung am 2. Spieltag sorgte ein Joe Cocker-Doubles namens Mr. Pete, gesponsert von der Business Bau GmbH. Diesem Mr. Pete, der sich mehrfach beim Publikums bedankte, das er hier sein durfte, gelang es Ballade für Ballade immer besser, das Begeisterungstempo des Turniers herauszunehmen (Ironie aus.) Seine Stimme stimmte – aber der Rest riss nicht vom Hocker. Oder doch? Immer mehr Fans standen von ihren Plätzen auf, um anderen Dingen nachzugehen. Vielleicht sollte sich der gastgebende Verein fürs nächste Mal tatsächlich mit dem Gedanken tragen, die Leverkusener Spielerin Rachel Rinast für die musikalische Pausenunterhaltung einzuladen. Jedenfalls gelang es dieser, beim Weltklasse-Hallenturnier in Jöllenbeck binnen 20 Sekunden das Publikum mit ihrem Gesangstalent, das sie vorher in der Castingshow „The Voice“ zum Besten gegeben hatte, mitzureißen. Und wann trifft schon mal ein Fußball- und Musiktalent in einer Person aufeinander? Eher selten. Na ja, Yuki Nagsato konnte blendend Klavier spielen.
Es gab noch weitere Musikeinlagen: Am zweiten Turniertag wurde die MBS-Arena auf einmal mit „Glück auf, der Steiger kommt“ beschallt und Bernd Schröder, dessen Lieblings- und Verabschiedungslied hier erklang, winkte mild lächelnd aus der VIP-Lounge den Zuschauern zu – und verließ diese kleine Bühne nicht, um z. B. auf den Mittelpunkt der Rasenfläche zu treten. Er hält sein Wort.
Unterhaltsam, und das Flair des Turniers unterstreichend, war die spontane Tanzeinlage der ungarischen Mannschaft, die zu einem nationalen Volkslied-Hit eine fröhliche Choreographie auf dem Kunstrasen präsentierte.
Eine nette Beobachtung war auch die Idee des Veranstalters, nach jedem 10. Turniertor die entsprechende Spielerin mit einer Überraschungstüte zu beehren. Auch der Preise-Berg bei der Siegerehrung war nicht zu übersehen. Mehr als ein Pokal und Bier pro Mannschaft wurden hier anerkennend überreicht;-)
Und dann natürlich das Publikum – einfach unglaublich! Wer die MBS-Arena zu anderen sportlichen Anlässen besucht, z. B. den Volleyball-Damen vom SC Potsdam oder den „Bumbaye“-Handballern vom Vfl Potsdam zuschaut, wird eingestehen müssen, das dort ganz nette Stimmung herrscht, aber eben nicht diese einzigartige Hallencup-Stimmung. Der Fanblock gab sein Allerbestes – und der große Rest der Zuschauer zog begeistert mit. Unvergleichbar mit dem Block C im „Karli“, der sich häufig nicht vom Fanblock D anstecken lässt. Und genau diese Fanbegeisterung und Frauenfußballfreude schätzen die internationalen Gäste. Besondere Bestätigung liefern jedes Jahr die Neulinge des Teilnehmerfeldes ab. Diesmal war Sporting Lissabon fast sprachlos, welche Emotionen der Frauenfußball auslösen kann. Der Trainer kam am Ende des Turniers dankend gestikulierend auf die Fans zugerannt, die Mannschaft ließ sich vor dem Fanblock fotografieren und die portugiesischen Spielerinnen wickelten sich begeistert in Turbine-Fanschals ein.
Und überhaupt klatschten sich beim Einzug der Mannschaften zur Siegerehrung die Spielerinnen aller Vereine mit zahlreichen Fans ab. Frauenfußball ist Herzenssache – ganz besonders authentisch in Potsdam!
Ebenso authentisch die Unterstützung des Fanclubs bei den Vor- und Nachbereitungen des Turniers. Hier wurde beim Auf- und Abbau stundenlang gerackert – und man bekam dadurch auch einen kleinen Eindruck, wie riesig der Vorbereitungsaufwand für solch eine Veranstaltung ist.
Als Ausdruck der Sportfamilie Potsdam waren auch zwei Kanurennsportler zu Gast, u.a. der dreifache Olympiasieger Sebastian Brendel.
Und alle Spiele wurden über einen Livestream im Internet übertragen, dem Sportbuzzer der „Märkischen Allgemeinen Zeitung“ gilt der Dank.
Das Turnier
An dieser Stelle werden nur Auszüge beschrieben, detaillierte Spielberichte findet man an vielen anderen Quellen.
Das Turnier war von einigen Überraschungen geprägt.
Überraschung Nr. 1 waren die portugiesischen Turnier-Neulinge, die sich schrittweise immer brillanter in das Turnier hineinspielten. Anfangs begeisterten sie durch den mentalen Ehrgeiz, Spiele bei einem 0:2-Rückstand drehen zu können. Die Co-Trainerin war 10fach stimmgewaltiger als Inka Grings und joggte unermüdlich die lange Seitenbande entlang. Sporting Lissabon gelang es als einzige Mannschaft, Turbine Potsdam zu besiegen. Der Höhepunkt war dann das Spiel und das damit verbundene Neunmeterschießen in der Zwischenrunde gegen SKN St Pölten. Die 17-jährige Torwartfrau Inés zog mit ihrem diskutablen Auftreten die vollständige Aufmerksamkeit auf sich. Verletzter Unterarm oder nicht? Ronaldo-Manier oder nicht? Eine zweite „coole Sau“ oder nicht? Fakt ist, der unterhaltsame und heimliche Torwartstar des Turniers war erst 17 Jahre alt – genau wie Anna Felicitas Sarholz im CL-Finale 2010 in Getafe.
Am Ende belegte Sporting Lissabon den zweiten Platz und zeigte sich sehr zufrieden. Die Portugiesinnen sind gern wiedergesehene Gäste!
Überraschung Nr.2 war Fortuna Hjørring. Aus Fan-Perspektive als geheimer Pokalfavorit gehandelt, nachdem dieser Verein in Jöllenbeck so souverän aufgetreten war, kam diese Mannschaft nicht so recht ins Spiel und überzeugte nicht. Schade, dass Fortuna an diesem Wochenende kein Glück hatte.
Überraschung Nr.3 war, dass Turbine Potsdam das entscheidende Spiel in der K.O.-Runde nicht verlor;-) Der „Hänger“ wurde in den Sonntagmorgen verlagert, als die Torbienen gegen Sporting Lissabon ihr einziges Spiel innerhalb der Gruppenphase verloren. Ansonsten spielten sie frisch und frei auf und reihten insbesondere am 1. Spieltag des Turniers einen Kantersieg an den anderen. Es war einfach nur erfrischend und begeisternd, den Mädels beim Spiel zuzusehen. Absolute Heimspielatmosphäre! Svenja Huth, die verletzungsbedingt am Finalspiel nicht teilnehmen konnte, dafür aber unter lautstarken „Huth-Huth!“- Rufen einen ins Aus geschossenen Ball hinter der Bande auffing, wurde am Ende als Torschützenkönigin mit 10 Treffern geehrt, was ihre Tränen schnell zu Freudentränen verwandeln ließ. Überraschend auch das spielerische Können der beiden „Küken“, Gina Chmielinski und Caroline Siems, die mit ihren drei Treffern zum 3:1-Sieg im Finale beitrugen und somit nicht den Vogel, sondern den Hallenpokal galant abschossen. Beim Hallenturnier in Jöllenbeck hatten sie sich bereits gut eingespielt, sodass dieses gezeigte Potenzial für die dort anwesenden Turbinefans weniger überraschend erschien. Nett umrandet wurde das „Küken-Können“ durch ein Interview-Video mit der Reporterin Inka Wesely.
Sparta Prag errang, wie auch schon in Jöllenbeck, nur die „Holzmedaille“. Das Pokern im Halbfinale, in dem sie in den letzten Spielminuten auf die Torwartfrau verzichteten, misslang leider. Eine Mannschaft der Herzen bleibt Sparta Prag trotzdem.
Und Schluss
Der 5. Internationale Turbine-Hallencup“ – ein Turnier der Spitzenklasse- ist nun Geschichte. Freuen wir uns jetzt schon auf das 6. Turnier – mit wiederum faszinierenden Turnierteilnehmern und fantastischen Fans – auf den Rängen und hinter den Kulissen.
Danke an alle Organisatoren, Sponsoren, Helfern und Fans und teilnehmenden Vereine, die dieses Turnier zu einem unvergesslichen Sporterlebnis haben werden lassen.
Text: Susanne Lepke
Fotos: Susanne Lepke, Marco Junghanns, Thomas Müpunkt, MTK Hungaria, Sporting Lissabon