Mittagsschläfchen – Turbine Potsdam gegen den 1. FFC Frankfurt

Spielbericht zur  AFBL-Begegnung 1. FFC Turbine Potsdam gegen 1.FFC Frankfurt am 29.09.2018

Vor ein paar Jahren noch stellte das Duell zwischen Potsdam und Frankfurt (ohne Oder;-) ein brisantes, emotional hochkochendes Spitzenspiel der Frauen-Bundesliga dar. Mittlerweile sprudeln die Geldquellen eher in Autostädten oder kuscheltierfeindlichen bayrischen Landeshauptstädten… In der Finanzmetropole  Frankfurt ist diese Geldquelle versiegt. Der ehemals hochkarätig aufgestellte Frauenfußball des DFB-Städtchen dümpelt nach dem Wegfall des Hauptsponsors seit einigen Jahren vor sich hin. Der 1. FFC Frankfurt versucht als eigenständiger Frauenfußballclub, aus dem eigenen Nachwuchs zu rekrutieren. Ein blutjunges, „starloses“ Team stand demzufolge am Sonnabend auf dem „Karli“-Rasen und die Namen der Spielerinnen erschienen bis auf wenige Ausnahmen eher „namenlos“.

 

Frauenfußball ohne Männer

In den alten Zeiten parkte ein Fanbus aus Frankfurt vorm „Karli“. Heutzutage steht eine Handvoll Frankfurter Fans, ausstaffiert mit zartem Glöckchen und einem Trömmelchen, im Stehplatzbereich. Der 1.FFC Frankfurt leidet, der Manager Siegfried Dietrich vermutlich noch mehr. Ein Liebäugeln mit dem Anschluss an den Männerverein „Eintracht Frankfurt“ kann aktuellen Pressemeldungen entnommen werden.

Die Emanzipation des Frauenfußballs scheint ohne „männlichen Ernährer“ nicht möglich zu sein.

Blockfahne in Aktion

Potsdam, die wahre Stadt des Frauenfußballs, beschreitet unermüdlich den emanzipatorischen Weg. Und mit jeder weiteren Saison, die ohne den ganz großen Erfolg endet, stellt dieser Weg alles andere als einen netten Spaziergang dar. Auch in Potsdam wird zunehmend aus dem eigenen Nachwuchs rekrutiert –  sportliche Frühförderung statt Shopping.

Leider sinken jedoch auch die Zuschauerzahlen. Diesmal schauten gut 1.400 Menschen zu – und das bei bestem Fußballwetter. Vielleicht lag es an der Fernsehübertragung bei Sport 1, vielleicht am dem „Sportschau“-Sonnabend? An der „Hertha“ (BSC) lag es jedenfalls nicht, denn diese hatte den bayrischen Goliath bereits am Freitagabend mit einem kolossalen 2:0 besiegt.

Fakt ist, die passable Durchschnittszahl von 2000 Besuchern pro Spiel wird in Potsdam gegenwärtig nicht erreicht. Und Fakt ist, dass sich hier zwei ehemalige Rivalinnen begegneten, die aufgrund der kommerziellen Entwicklung im Frauenfußball nun zu befreundeten Leidensgenossinnen geworden sind. Wobei der Potsdamer Verein der Einäugige unter den Blinden zu sein scheint.

Und beide Vereine haben eine (weitere) Gemeinsamkeit: Der Cheftrainer ist von Beruf: Lehrer.

 

Die erste Halbzeit

Ähm… ja….  also…

Die erste Halbzeit bestand ausschließlich aus den letzten fünf Minuten. Die ersten 40 Minuten wurden erschreckend verschlafen. Ein Anpfiff um 14.40 Uhr hätte den gleichen Effekt gehabt. Ein Fremdschämen hinsichtlich der Fernsehübertragung auf Sport 1 machte sich breit. Die mediale Werbung für den Frauenfußball war akut gefährdet!

Es war eine Lethargie bei den Torbienen zu beobachten, die alles andere als aufgeregt über die Wiese summten. Keine Körperspannung, kein Drang nach vorn, kaum eine Spielidee oder klar erkennbarer Schachzug – das Gekicke ermüdete auch zusehends die Zuschauer_innen. Zum Glück konnte es Frankfurt nicht besser und wollte auch die Fehler nicht ausnutzen.

In der 38. Minute war dann das große Schnarchen vorbei. Die allgemeine Mittagsruhe beendete Lara Prašnikar, die nach einer Zuspiel-Stafette von Huth und Rauch zum 1:0 einschob. Jetzt kam einiges in Bewegung, was sich nicht nur am Entrollen der Blockfahne messen ließ. Die früh eingewechselte Bianca Schmidt, die für die verletzte Wibke Meister gekommen war, zeigte mit ihrer Erfahrung die Richtung an und eröffnete mehrfach ein gutes Spiel nach vorn. Dass Eckbälle eine vertane Liebesmüh sind, muss man in dieser jungen Saison leider häufiger beobachten. Aber es gibt auch Ausnahmen, denn kurz vor Halbzeitende stand Rahel Kiwic goldrichtig und konnte zum 2:0 einköpfen.

Die ersten Forderungen im Fanblock D wurden laut, die Halbzeitpause diesmal ausfallen zu lassen, da die Torbienen nun endlich aufgewacht waren. Die Schiedsrichterin gab dieser Forderung nicht nach und pfiff ab …

…und wenig später wieder an. In den vorangegangenen beiden Spielen hatten die Torbienen jeweils eine sehenswerte erste Halbzeit geboten und waren danach eingebrochen. Vielleicht sollte es diesmal umgekehrt sein?

 

Die zweite Halbzeit

Das Spiel gewann etwas an Tempo, auch wenn parallel dazu die Anzahl der Fehlpässe stieg. Die eingewechselte Gina Chmielinski brachte frischen Wind in die Partei. Der Fleißbiene Svenja Huth schaute man sehr gern zu, ein „Dampflökchen“-Tor wäre eine logischer Verdienst gewesen. Auch Sarah Zadrazil überzeugte mit ihrer Athletik und ihrem (Zwei-)Kampfgeist und könnte mit ihrer Spielweise in die Fußstapfen von Tabea Kemme schlüpfen. Auch Rieke Dieckmann zeigte sich im Mittelfeld engagiert und Jojo Elsig wirkte in der Abwehr sicher und beruhigend. Und auf gelbe Karten musste man bis zur 75. Minute warten, so friedlich, fair und wohlgesonnen plätscherte die Begegnung vor sich hin.

Sie hat leider den Ball gefangen.

Die Krönungen des Spiels stellten aber beide Torhüterinnen dar. Die ehemalige „Turbine“ Bryane Haeberlin meisterte ihren Job bravourös und war aus Potsdamer Sicht leider zu oft und blitzschnell an der richtigen Stelle. Auch auf die Potsdamer Torhüterin Lisa Schmitz war Verlass. Hundertprozentige Torschüsse, die man bereits drin gesehen hatte, waren beim Augen-wieder-Öffnen dann doch nicht drin, weil es eben Lisa gab. Somit war es logisch, dass der Fanblock „Lisa“-Rufe skandierte und sie am Ende zur „Besten Spielerin“ gekrönt wurde.

Wie in der ersten Halbzeit gab es auch in der zweiten Halbzeit zwei Tore zu sehen. Als die Frankfurter Spielerin Pawollek  (mit der Nummer von Anja Mittag – Nr.31) in der 79. Minute einen sehenswerten Anschlusstreffer erzielte, erwachte auch der oder die Letzte auf und neben dem Rasen. Jetzt kam nicht nur Tempo, sondern auch Spannung ins Spiel! Und Tory Schwalm wurde im Minutentakt umgetauft. Wenn sie wortreich diversen Schiedsrichterentscheidungen begegnete, hieß sie „Tory Schweig“. Wenn sie es mit einer Schwalbe versuchte: „Tory Schwalb“. Es galt zu beachten, dass die alternativen Namensgebungen immer mit „Schw…“ begannen. Nur bei ihrem Treffer in der 95. Minute fehlten die Umtauf-Worte:-)

Unter Olé-olé-Gesängen und entrollter Blockfahne endete die Partie am Ende eindeutig mit 3:1. Ein Spiel, das man nicht unbedingt gesehen haben muss und das alles andere als Zuversicht und Selbstbewusstsein hinsichtlich des Saisonfortgangs auslöst. Aber gewonnen ist gewonnen und x-mal besser als ein sechstes Unentschieden in Folge. Und eine glückselige Erfahrung im Gegensatz zum Gegner, der nach drei Spielen immer noch punktlos ist. Schauen wir mal, was da noch kommt.

Am kommenden Wochenende wird aufgrund der Länderspiel-Abstellungsphase pausiert, anschließend setzt sich der Fanbus in Richtung Essen in Bewegung. Bei dieser Partie muss Potsdam ausgeschlafen und hellwach, ohne dieses Baldrian-Doping, an den Start gehen. Sonst sind wir Frankfurt.

Text: Susanne Lepke

Fotos: Saskia Nafe