Wieder mal Weltklasse-Dritter

Bericht zum Hallenturnier „Weltklasse – Frauenturnier 2017“ in Jöllenbeck/Bielefeld am 14./15.Januar 2017

Ereignisreich und sehenswert war es wieder, das Hallenturnier in Jöllenbeck, dass zum 37. Male in der Sporthalle der Realschule Jöllenbeck, unweit von Bielefeld, ausgetragen wurde. Engagiert organisiert von der TUS Jöllenbeck, garniert mit hektoliterweise „Herforder Pils“ und Bielefelder Sparkassen-Pokalen. Eine absolute Herzens-Veranstaltung, die mit Feingefühl, Sachkenntnis, Emotion und familiärer Atmosphäre daherkommt. Hier steht die ehrliche Begeisterung für den Frauenfußball im Vordergrund, keine pompösen Ausschmückungen, aufbauschenden Worte und vermarktenden Aktionen. Dafür selbstgebackener Kuchen, Hackepeter-Brötchen (im Rest der Republik „Mettbrötchen“ genannt) mit ausreichend, kleingehacktem Zwiebeldekor. Dazu eine Portion authentischer Dialoge hinter den Banden, zwischen Spielerinnen und Fans sowie Gästetrainern verschiedener Nationen und Fans.

Hach, es lohnt sich einfach, den Wochenendausflug nach Bielefeld (das es ja eigentlich gar nicht gibt – so der saloppe Volksmund) zu unternehmen.

Der Verein Turbine Potsdam hält diesem Hallenturnier seit 19 Jahren die Treue – und stand diesmal zum 16. Mal im Halbfinale. 2013 wurden die „Torbienen“ Dritter, 2015 erreichten sie den 3. Platz, im letzten Jahr kletterten sie auf das 3. Treppchen – und in diesem Jahr – um die Spannung rapide vorwegzunehmen – wurden sie

Dritter.

Treue und Konstanz;-)

Und trotzdem, ja, trotzdem muss man sich auf den Weg machen! Und wird am Ende begeistert wieder heimfahren.

Das Jöllenbecker Turnier-Rezept lautet – im Gegensatz zum Turbine-Hallencup und dem verstorbenen DFB-Hallenturnier in Magdeburg: Das Teilnehmerfeld besteht aus vier deutschen Mannschaften und vier internationalen Mannschaften als Wettbewerbsteilnehmer. Diesmal wurde organisatorisch nicht ganz nach Rezept gekocht, da fünf deutsche Mannschaften am Start standen: SGS Essen, Bayer 04 Leverkusen, SC Sand, Herforder SV und Turbine Potsdam. Internationale Gäste waren AC Sparta Prag, Fortuna Hjørring (Dänemark) und der KRC Genk, eine belgische Mannschaft. Mit dem AC Sparta Prag verbindet sich aus Potsdamer Sicht eine langjährige Sportfreundschaft, dieser Verein ist immer wieder ein gern gesehener Gast beim Turbine-Hallencup.

Auf Fortuna Hjørring darf man sich beim Turbine-Hallencup heftig freuen. Hier wird eine fußballerisch sehenswerte Mannschaft anreisen, die Spielspannung verspricht. Zwar muss sich der Kader von Fortuna Hjørring beim Turbine-Hallencup teilen, da der Verein am letzten Januarwochenende auch parallel an einem Hallenturnier in Rumänien teilnehmen wird, aber wenn die wiederholt als „beste Torwartfrau des Turniers“ ausgezeichnete Trine Jensen nach Potsdam reist, ist das schon die Hälfte der Eintrittskarte wert. Fortuna Hjørring heimste übrigens in diesem Jahr alle drei Turnier-Ehrungen ein. Neben Trine Jensen als „Beste Torwartfrau des Turniers“ wurden die Brasilianerin Tamires als „Beste Spielerin des Turniers“ und Camilla Kur als „Torschützenkönigin“ prämiert.

Nachdem Colin Bell persönlich die ca. 50 Potsdamer Fans in deren Fanblock begrüßt hatte, begann das Turnier. Ein wertschätzender Schachzug war hierbei seitens der Turnierleitung, dass vor Spielbeginn der ersten Gruppenrunde jede einzelne Spielerin namentlich mit kurzer Erfolgsbiographie vorgestellt wurde.

Die Mannschaftsaufstellung der „Torbienen“ zeigte Unerwartetes: Der größte Teil des Stammkaders war gar nicht angereist (Huth, Kemme, Elsig, Wesely, Schmidt, Schmitz, Meister, Wälti, Aigbogun), sondern griff daheim nach der Abendgarderobe, um zwei verschiedenen Sportgala-Veranstaltungen beizuwohnen. Dafür reiste ein Turbine-Jungblut-Pärchen an: Gina Chmielinski oder Carolin Siems. Auch beide Ersatztorhüterinnen, Fischer und Heaberlin, kamen zum Einsatz sowie die Spielerinnen: Gasper, Siwinska, Rauch, Kellond-Knight, Zadrazil, Prasnikar, Lindner und Kulis. Matthias Rudolph wurde krankheitsbedingt von Dirk Heinrichs vertreten, der gleichzeitig auch als Chauffeur agierte. Ebenso multi-einsatzfähig zeigte sich die Potsdamer Physiotherapeutin, die neben ihrem eigentlichen Job den Kleinbus fuhr und die Pressearbeit verrichtete. Irgendwie passte diese Art der vereinsinternen Organisation zur Aura dieses Hallenturniers: Klein, fein und gut.

Die Torbienen stiegen souverän in das Turnier ein und spielten eine fulminante Gruppenphase. Fünf der sechs Spiele wurden gewonnen, nur gegen Fortuna Hjørring hatte man das Gegenteil von „Fortuna“ und unterlag in der Hinrunde deutlich 1:4. In der Rückrunde schaltete Fortuna zwei Gänge zurück und stellte noch dazu anstelle der glamourösen Torwartfrau eine Feldspielerin ins Gehäuse – um am Ende Potsdam den Gruppensieg zu überlassen. Potsdam gewann mit 2:0.

Der Halbfinal- und Endstationsgegner hieß dann SGS Essen. Dass sich die Ex-Turbine Sara Doorsoun zuvor beim letzten Gruppenspiel gegen Fortuna Hjørring mental unterstützend in den Potsdamer Fanblock gesellt hatte, zeugte von einem herzlichen Miteinander. Das nachfolgende Gegeneinander, Potsdam gegen Essen, entschieden die Ruhrpöttlerinnen mit 2:0 für sich. Verdient. Potsdam fehlte es an Biss und Torverwandlungsglück, noch dazu mussten die Torbienen in den Schlussminuten aufgrund einer zweiminütigen Zeitstrafe für Kulis in Unterzahl weiterspielen.

Es war zum Verzweifeln: Trotz der überzeugenden Gruppenphase wiederholt das Aus im Halbfinale. Im letzten Jahre hatte man gegen die SGS Essen spielspannend um Platz 3 gerungen und gewonnen – nun also die Halbfinal-Niederlage Nr. 16 von insgesamt 19 Turnierteilnahmen. Somit eine statistische Logik und kein überraschendes Ärgernis…

Und an den Fanblock von Essen geht auch der Fan-Preis des Turniers, aufgrund des vielseitigen Fangesang-Repertoires. Ein basstöniger Männerchor bot einen musikalisch-inbrünstigen Reigen an Gesängen, von dem „Wer – wie – was“ aus der „Sesamstraße“ über Scott Joplins „Entertainer“ bis zu einer Liedauswahl in Moll – alles war dabei. Laut und ohne Pause. Dazu gesellte sich nach Herfords Ausscheiden noch das Agogo-Glockeninstrument eines desertierten Herforder Fans.

Der Fanblock „Jetzt geht’s loos“ aus Leverkusen ging irgendwie am zweiten Turniertag die Puste aus. An der Stammstelle hing plötzlich kein Banner mehr, die Sitze blieben vormittags leer, nur in der nachmittäglichen Finalrunde blitzte der eine oder andere rote Fanschal auf.

Der Fanblock von Turbine Potsdam wurde vom Veranstalter gelobt, von Colin Bell ehrfurchtsvoll erwähnt und von dem belgischen Trainerteam bestaunt. Laut war er, mit drei Trommeln und einigen Rasseln bestückt, aber nicht sonderlich kreativ. Preußisch geradeaus – na ja.

An dieser Stelle aber ein deutliches Dankeschön an den Moderatoren des Turniers, der dem Potsdamer Fanblock die Möglichkeit gab, die Nachnamen der Spielerinnen im Call-and-Response-Takt mitbrüllen zu lassen. Sportlich fair und rücksichtsvoll – Dankedankedanke!

Viel kreativer als die Potsdamer Fans zeigte sich eine Leverkusener Spielerin: Rachel Rinast. Dieser jungen Frau wohnten zwei Talente inne, das fußballerische und das Gesangs-Talent. Hatte sie doch in ihrem Leben bereits die Chance genutzt, bei der Musikshow „The Voice“ mitzumachen. Überzeugend improvisierte sie ein gefühlvolles „tears and heaven“ auf das Fußballparkett und vollzog anschließend eine musikalisch-schlagfertige Überleitung zum Warmmachen ihrer Mannschaft für das Platzierungsspiel. Respekt!

Liebe Rachel, kannst du dir nicht vorstellen, den Turbine-Hallencup musikalisch zu bereichern?!

Was noch erwähnt werden sollte:

  • Fortuna Hjørring unterlag im Finale ganz knapp der SGS Essen, weil die Mädels im Neunmeterschießen beide Torschüsse nicht verwandeln konnten. Fortuna Hjørring führte 2:1, als dann eine Zeitstrafe erteilt wurde und in Unterzahl der Ausgleich durch Essen erfolgte.
  • Beide Torwartfrauen von Turbine Potsdam erzielten ein Tor. Mithalten konnte hier nur noch die Torfrau von Fortuna Hjørring, der ebenfalls ein sehenswertes Tor gelang.
  • Die Torbienen wurden Zitter-Dritter, da sie Sparta Prag im Neunmeterschießen knapp besiegten. Vanessa Fischer gilt hierbei neben den Neunmeter-Schützinnen u. a. gebührlicher Dank.
  • Gina Chmielinski wirbelte und zwirbelte. Es war eine Freude, ihr zuzusehen. Auch der Einstand von Carolin Siems überzeugte, insbesondere in der Abwehr. Und Lara Prasnikar könnte eine zweite Antonia Göransson werden. Des Weiteren schoss Anna Gasper immer die ersten beiden Tore in der Hin- und Rückrunde gegen Genk.
  • Wenn Fortuna Hjørring ein Tor gelang, erschallte Abba-Musik. Dänemark = Schweden? Hier wäre die Titelmusik der „Olsenbande“ doch angemessener…
  • Das Schiedsrichterteam beherrschte bei der Anmoderation eines Mannes aus ihren Reihen ebenfalls hervorragend die Call-and-Response-Technik.
  • Es fielen 118 Tore zzgl. der Neunmeter-Tore.
  • 150 kg Pommes frites wurden verkauft.
  • Einige Potsdamer Fans feuerten einen Tag vor Turnierbeginn bereits die U17 von Turbine Potsdam beim Hallenturnier in Gütersloh an.
  • Wer am Abend des ersten Turniertages im wohlschmeckenden italienischen Restaurant „Da Leo“ einkehren möchte, muss einen Tisch reservieren – oder der Besitzerin einen Fanschal mitbringen.
  • Und am besten fühlt man sich im Hotel „Weitblick“ bei Familie Schwesinger aufgehoben.

Glückwunsch an die SGS Essen und Vorfreude auf Fortuna Hjørring!

Wir sehen uns beim 5. Turbine-Hallencup am 28./29. Januar in der MBS-Arena Potsdam!

Text: Susanne Lepke

Fotos: Susanne Lepke

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